Sophie Passmann – “alte weiße Männer” (Hörbuch)

Wir hatten eine Bundeskanzlerin, Sportjournalistinnen werden, sobald sie sich auch nur in die Nähe des Fußballs wagen, sofort belächelt, und zum Aufzählen bekannter, deutscher Spitzenköchinnen, brauche ich weniger als eine Hand. Man muss also nicht wirklich lange überlegen, um festzustellen, dass viele zentrale Rollen in unserem (öffentlichen) Leben von älteren Personen, ohne erkennbaren Migrationshintergrund besetzt sind, die sich allein basierend auf ihrem Geschlecht eine höhere Position in der Gesellschaft gesichert sehen. Wie nuanciert dieser alte, weiße Mann sein kann und wie sehr der Faktor Macht eine Rolle in diesem Bild spielt, hat Passmann im Sommer 2018 mit mehreren Interviewpartnern ergründet.

Da ich ihre Art zu sprechen mag, habe ich mich diesmal sehr bewusst für das Hörbuch entschieden, auch wenn so das Notieren interessanter Textpassagen wegfiel und ich nicht mehr hundertprozentig zuordnen kann, von wem dieser oder jene interessante Aspekt beigesteuert wurde.

Passmann ist zwar nur knapp ein Jahr jünger als ich, aber so wenig auf den Mund gefallen, dass sie einst sogar als “Stimme einer Generation” betitelt wurde. Jetzt müsste ich nur noch wissen, wo genau die Grenze zwischen Gen Y und Gen Z verläuft, oder was genau jemandem aus konservativem Elternhaus (inklusive Burschenschaft in Stuttgart) dazu bringt, sozialdemokratisch bis links, feministisch und vegan zu sein und mit damals nicht mal Mitte zwanzig den Mut zu haben, den alten weißen Männern der Republik ein paar weniger bequeme Fragen zu stellen.

Zwar betont Sascha Lobo, mit dem sie startet, dass er aufgrund seines Vaters nie ein alter “weißer” Mann sein könne, aber selbst ein nicht mal dreißigjähriger Kevin Kühnert muss gestehen, dass er wohl nie zu hundert Prozent vor dieser Rolle gefeit sein wird. Immerhin ist beiden bewusst, dass sie es einfacher hatten, weil sie als Junge auf die Welt gekommen sind.

Weniger einsichtig gibt sich da bereits der Redakteur der Welt, der großspurig betont, wie viele Frauen auch an höheren Stellen in den diversen Ressorts arbeiten. Da sie diese Stellen aber nur durch sein Wohlwollen erhalten hätten, bekommt das Ganze sofort den fahlen Beigeschmack des Gönnerhaften. Dieses “weil ich es zulasse, dass …, kannst du…”. Eine Unart, die – so selten sie mir zum Glück inzwischen begegnet – mein Verhalten innerhalb weniger Sekunden komplett verändern kann. Für eine echte Frauenquote sind die wenigsten – aus den verschiedensten Gründen. Auf die Nachfrage, wie sie sich denn fühlen, nur wegen ihres Geschlechts eine bestimmte Position erreicht zu haben, werden sie meistens sehr schnell, sehr ruhig. Lediglich Marcel Reif schien sich mit der Umkehrung der Rollen wohl zu fühlen, damit, dass er inzwischen die “angenehme Begleitung” seiner Frau ist.

Gleichzeitig kristallisiert sich bei ihm aber auch heraus, warum sich viele Männer vom Feminismus bedroht fühlen und beispielsweise eine fachliche Diskussion über die Arbeit einer Fußballkommentatorin bereits im Keim erstickt wird. Die meisten sind mit dem Wandel ihrer Umwelt überfordert und denken immer noch, dass sie qua Geburt etwas “Besseres” wären, mehr wüssten. Und selbst wo im beruflichen mehr Gleichberechtigung akzeptiert wird, ist man mit der Auflösung der tradierten Rollenverteilung im Privaten überfordert. Und sei es einfach nur der Sommelier, der nicht glauben kann, dass “Papa Passmann” seiner Tochter die Weinauswahl im Steakhaus überlässt.

Passmann liefert zu jedem Interview die Umgebung und das meist vorhandene Essen, wenn bei Treffen außerhalb von Restaurants und Cafes für sie mehr oder minder selbstverständlich veganer Aufstrich besorgt wird. Und sie schildert das alles so trocken, wie eben die dritte Rhabarberschorle oder das viel zu hohe Trinkgeld sein kann. Man sitzt mit am Tisch und gelegentlich gewinnt sogar ihr Gegenüber den ein oder anderen Sympathiepunkt, was vielleicht auch an ihrer Auswahl liegt. Sie gibt unumwunden zu, sich die krassesten Vertreter der Gruppe “alter, weißer Mann” dann doch erspart zu haben. Und trotz des immer wieder aufkommenden Humors werden die Themen ernst. Was bedeutete tatsächlich #MeToo? Wie führt der vermeintliche “Herrschaftsanspruch” vieler Männer zu so viel Frauenhass und Gewalt?

Das Buch hilft auf jeden Fall bestimmte Verhaltensmuster zu erkennen und bewusst dagegen zusteuern. Zu erkennen, was frau in bestimmten Situationen die ganze Zeit über gestört hat und vielleicht rechtzeitig zu handeln, statt nur lächeln und sich heimlich zu Hause darüber zu ärgern.

Begonnen: 30.1.24  Beendet: 6.2.24

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